erdenockersilbergrau, 2019

Reinhold Messner:

Wolfgang Bühler gibt den Bergen jene Erhabenheit,
welche der Berg von Natur aus in sich trägt.

Das lasierende und schichtende Verschleiern ist ein Schmücken in ein
Gewand, das farbliche naturnahe Landschaftsformen erahnen lässt.
Seine Felsen sind tastbar, angreifbar, auch verletzlich und verbergen
sich hinter dem Thema Berg.

Auch künstlerisch beseelte Berge erzählen Geschichten.

Morgennebel:

…dann sind die Täler ringsum plötzlich wie in Dunst getaucht.
Alle Türme scheinen auf einmal zu wachsen. Ihre grauen, gelben und
zerfurchten Wände verlieren für einen Augenblick ihre bekannte Gestalt…
Es ist als entstünde alles noch einmal, als stehe man am Anfang der Welt.

Dr. Sabine Kulenkampff, Erlangen:

Vor etwa 10 Jahren ging Wolfgang Bühler einen neuen Weg in seiner malerischen Arbeit, indem er das ungegenständliche Herstellen dreidimensionaler Flächenbilder zu ersten Berglandschaften weiterentwickelte. Die Betrachter seiner Bilder hatten immer schon die Mikrostruktur seiner Farbflächen als Urlandschaft, Haut- oder auch Felsoberfläche empfunden. Nun trat der Standpunkt des Malers gleichsam aus seinen monochromen Arbeiten zurück, für den Betrachter war es, als sei ein Zoom zurückgedreht worden: Berge ragten auf der Leinwand auf, deren Oberfläche in der bewährten und nun von Bühler schon intensiv erforschten Acryllasurentechnik geformt waren.  Schon bald kam die Frage auf, ob dies nur eine Phase sei, die eine Weiterentwicklung zu neuen, ungegenständlichen Farbflächenarbeiten einleiten würde. Doch dieser Weg wäre ein Rückschritt gewesen, es zeigte sich, dass Bühler in der „Verbildlichung von Farbe und Struktur als Berg“, so seine Selbstaussage, sein Lebensthema gefunden hatte. Es entstanden Bildserien, die in ihrer Benennung nach Farben oder Wegen und in verschiedenen Formaten bis heute das Werk Bühlers bestimmen.
 
Der Betrachter erfährt die vom Maler als utopische Bergwelt gestaltete, farblich-strukturelle Atmosphäre und kann ein Teil dieser imaginierten Welt werden, sie sehen und mitempfinden.

Die im Bild konstruierte Berglandschaft widerspiegelt auch die im Maler vorgehende Wahrnehmung, die historisch-ökologische Situation realer Bergwelten und die damit einhergehende Veränderung der Farbzustände dort draußen. Die virtuos angewandte Folientechnik, welche dem Zufall Raum gibt, gewährleistet aber immer die Autonomie der Bildberge, deren Erhabenheit in ihrer nirgendwo außerhalb des Bildes existierenden, rein künstlerischen Realität liegt. Die Produktion der Bilder in Serien garantiert außerdem eine ungreifbare, nicht endgültig ausgeformte Vorstellung des Motives Berg, deren kontinuierliche Veränderung Teil des Bildprogrammes ist. In unserer von Zerstörungen verletzten Welt stellt die künstlerische Handlung für diesen auf Leinwand oder Papier beschränkten Raum Respekt und Unantastbarkeit der Berge wieder her, die der realen Welt genommen wird. Die malerische Utopie, durch selbstbestärkende, insistierende Wiederholung raumgreifend, weißt durch immer neu erlebbare Farben auf Wege des Sehens in die malerische Zukunft. Der vergängliche, selbst verletzbare Maler-Mensch als Teil der bedrohten Lebenswelt ist in der Lage, dennoch sein Werk fortzuführen.

Sandige Wege, in Nebel gehüllt, lassen in ihrem horizontalen Gleichmut den Gedanken an das „Interesselose Wohlgefallen“ der Romantik aufkommen. Der Berg ist nicht Berg, sondern Farbgeber, der als Kreativität spendendes Medium zwischen Maler und Betrachter existiert.

Die imaginierte Natur verfällt, ähnlich wie das klimatische Verfallen der Bergwelt und die Unwägbarkeit biochemischer Prozesse im Altern des Malers erahnt werden. Das Erhabene der Vertikale in erdenockersilbergrau ist in ihrer Schroffheit eher bedrohlich als befriedend, dem Betrachter schaudert, es bieten sich keine noch so subtilen Wegemöglichkeiten durch die Bildwelt. Der Berg wird unnahbar und beängstigend, aber auch präsenter, schön und respektgebietend. Doch diese Berge wollen nicht erklommen werden, es genügt, den Farbeindruck zuzulassen, die angenehme, gemütsberuhigende Kälte des eingesetzten Silberblaus beruhigt das Sehen vor den immer höher horizontlos sich ausbreitenden Gebirge…