BILDLANDSCHAFTEN
"…Die gestaffelten, zerfurchten und vernarbten Flächen wirken wie Panoramen einer archaischen Urlandschaft. Sie wirken naturalistisch detailliert, Berglandschaften einer entrückten Welt.
Im ersten Moment meint man, alles zu verstehen. Aber nach einem Augenblick nachdenkenden Innehaltens beschleicht uns leiser Zweifel. Man fragt sich: Was ist hier eigentlich dargestellt? Blickt man bei Bühlers Berglandschaften wirklich auf Natur? Hier führt ein Zitat Bühlers weiter:
"Der Blick des Betrachters ist nicht der Blick auf die rohe Natur, es ist der Blick auf eine Utopie." Bühlers Berglandschaften sind jedoch weder Abbild, noch erinnernde Wiedergabe eines realen, eines bestimmbaren Ortes.
Bühlers Berglandschaften bleiben Bild-Landschaften. Sie sind abstrakte Farb- und Strukturspielereien. Nur scheinbar behandeln sie einen konkreten Gegenstand. Sie sind eben nicht der Blick auf die rohe Natur, sondern Utopie. Wolfgang Bühler formuliert es so: "Das Bild selbst ist eine parallele Landschaft zur Landschaft der Welt und nicht deren Abbildung."
Die irritierende Detailgenauigkeit lauscht Bühlers persönliche Eindrücken und Erlebnissen ab. Ausflüge werden zu Vorlagen.
Es mutet erstaunlich an, aber gerade die großen Panoramen schärfen seinen Blick fürs Detail. In der Natur entstandene gedankliche, wie schriftliche Farbnotizen von Felsstrukturen dienen der Konservierung der Landschaften. Sie sind erste Vorlagen für die Arbeit im Atelier. Dort, im Atelier entstehen seine Werke.
Eigentlich ist Wolfgang Bühler ein ungegenständlicher Maler. Seit jeher fasziniert ihn das Malerische der Farbe. Sein Farbspektrum ist leise, verhalten, fast melancholisch. Ihn interessieren gedeckte Zwischentöne. Rötlich beispielsweise oder bläulich, Farbnuancen, die Stimmungen auslösen oder Stimmungen verbildlichen. Es geht ihm um feine Übergänge, um zarte Strukturen die er in vielschichtiger Lasurtechnik gewinnt. Lange Zeit war Bühler das Ringen um Strukturen, das Abwägen von farbigen Nuancierungen Bildwelt genug. …
Die handwerklich-technische Raffinesse und die gedeckte Farbigkeit verleihen Bühlers Bildern eine ätherische Vielschichtigkeit. Sie atmen Stille.
Diese Stille ist eines der Geheimnisse der Arbeiten, der großformatigen Leinwände, wie auch der kleinformatigen Aquarell- und Tusche/Tinte-Arbeiten auf Papier.
Die Spannung zwischen der eigentlichen Darstellung und dem Gehalt macht den großen Reiz der Arbeiten aus. Dargestellt ist unbelebte Natur und offene Weite bis zum Horizont. Die feinteilige Struktur der Bildkörper erzeugt zugleich eine Nähe, erinnert an stark vergrößerte Partien einer vom Leben gezeichneten Haut. Der Betrachter wird so in sein Innerstes geführt. Seine eigene Vorstellungswelt füllt die Bildräume mit den Produkten der individuellen Phantasie.
Die Wanderung des Auges in die Ferne führt den Betrachter zurück ins Ich.
Dr. Anna Scherbaum
Prof. Dr. Jens Kulenkampff
Gedanken über Wolfgang Bühlers Landschaften
"…zur distanzierten Betrachtung paßt die Ruhe, die die Bilder ausstrahlen. Diese wiederum verdankt sich zum einen der geradezu klassischen Komposition der Bilder: einer Verteilung der Massen, die sich im Gleichgewicht hält, ohne gewollt zu wirken. Räumliche Tiefe verdanken die Bilder dem klassischen Prinzip der Luftperspektive und oftmals der Gliederung in einen eher schattigen Vordergrund, einen aufgehellten Mittel- und noch helleren Hintergrund, den die zentralen, von fernem Licht angestrahlten Massive einnehmen, hinterfangen nur noch von hohem wolkenlosen Himmelblau. Zum andern verdankt sich die Ruhe der Bilder einer zusammenschließenden Atmosphäre, die durch die jeweils fein abgestimmte und in sich geschlossene Palette erzeugt wird, die jedem Bild seinen eigenen Farbenraum zuweist, meist im Bereich der lichten Grau- und Blautöne, manchmal ins Rötliche, manchmal ins Bräunliche spielend, nie laut und von einer heutzutage ungeahnten coloristischen Raffinesse.
…Lösen wir uns von der Landschaft, gewinnen die Gemälde reinen Farbenklang und tritt etwas abstrakt Graphisches hervor, das nur gesehen und betrachtet, nicht gedeutet werden will.
Einmal vom ersten, dem Blick auf die Landschaft befreit, locken die Bilder den Betrachter, näher heranzutreten und ihnen gewissermaßen auf den Leib zu rücken. Da, mit einem Mal, eröffnet sich ihm eine völlig neue Dimension: eine mikrologische Welt verschiedenster, feinster Formen und Strukturen, an kristalline Nadeln oder Halme erinnernd und erzeugt von mehreren lasurartigen Farbschichten, die übereinander liegen, die die tieferen teils verdecken, teils durchscheinen lassen und die einen ungeahnten Reichtum an Farben offenbaren, deren Zusammenklang sich aus dem Abstand der ersten Betrachtung als einheitlicher Farbton darstellt. Das Geheimnis, das diese Bilder der Nahsicht preisgeben, ist das Geheimnis der Malerei…" Wolfgang Bühlers selbst: Aus durchscheinenden Farbschichten, die er – hier dichter, dort weniger dicht – Strukturen bilden läßt, entstehen fein strukturierte Flächen, die er mit einer Linie abgrenzt und aus denen er seine Bilder baut, die man ansehen kann als unendlich reizvolle Farbkompositionen, als gegenstandslose Lineamente und graphische Gestalten oder als kristallklare Landschaften, die es nirgends gibt als allein auf diesen Bildern.